Teil 3: Wie Sie häusliche Isolation und Quarantäne gut überstehen von Prof. Frank Jacobi
Maßnahmen gegen das Auftreten von Konflikten (Stand: 23.03.2020)
Auf engen räumlichen Verhältnissen entsteht sogenannter „Dichtestress“. „Unter Lagerkoller einzelner oder mehrerer Personen versteht man umgangssprachlich einen vorübergehenden psychischen Erregungszustand bei zwangsweiser Lagerunterbringung, wie er vor allem in Gefängnissen, Kasernen, Kriegsgefangenenlagern, Deportierungslagern, Flüchtlingslagern, Notunterkünften und Katastrophenschutzlagern bei anhaltend belastenden und unabsehbar lange andauernden Bedingungen vorkommt. „Koller“ (althochdeutsch kolero = „Wut“ von mittellateinisch cholera = „Zornausbruch“, vgl. auch Choleriker) ist eine volkstümliche Eindeutschung und bezeichnet eine plötzlich aufbrechende oder stille, schwere psychologische Erregung, die sich aus einer Umgebung oder Situation ableiten lassen. Er äußert sich bei einzelnen Personen in Angst, Wut, Verzweiflung, Überaktivität sowie depressiven Zuständen.
Die jetzigen Quarantänemaßnahmen in Deutschland lassen sich zwar nicht mit Zwangsinhaftierung vergleichen. Dennoch kann man die in der psychologischen Forschung zu Extremsituationen gewonnenen Erkenntnisse nutzen, um uns den Umgang mit der aktuellen Situation zu erleichtern. Bereits durch die ungewohnt viele gemeinsame Zeit können Konflikte in der Partnerschaft oder im Familienleben entstehen. All dies kann sich in Streit bis hin zu Gewalthandlungen entladen. Folgende Maßnahme sind hier präventiv hilfreich:
- Definieren Sie klar abgegrenzte Stunden, die jede/r für sich allein verbringt.
- Ermöglichen Sie allen Familienmitgliedern Rückzugsmöglichkeiten. Machen Sie alleineeinen Spaziergang um den Häuserblock oder durch den Wald.
- Sprechen Sie Ärger an, noch bevor die Situation eskaliert. Kurzfristige Konflikte wird esbei jedem immer wieder mal geben – wichtig ist, dass diese gelöst werden.
- Machen Sie einen täglichen Familien-Mini-Krisenstab oder -Konferenz: Wie geht’s allen Beteiligten, wer braucht was, welche Ideen und Wünsche haben die Einzelnen?
- Seien Sie nachsichtiger als sonst, sich selbst und den anderen gegenüber! Die derzeitige ungeplante soziale Isolierung mit „Zwangsferien“, die im Grunde gar keine Ferien sind, weil man nicht alles tun kann, was man im Urlaub gerne tut, ist durchaus eine Herausforderung für alle Familien und Freundeskreise.
Über den Autor
Frank Jacobi ist Professor für Klinische Psychologie und Psychotherapie (Schwerpunkt Verhaltenstherapie) an der Psychologischen Hochschule Berlin
Mehr Informationen finden Sie auch unter www.phb.de
Der vorliegende Text ist verfügbar unter:
Prof. Dr. Frank Jacobi: Wie Menschen häusliche Isolation gut überstehen können
Die Informationen, die Sie in diesem Dokument finden, wurden aus Hinweisen der norwegischen Klinikk for krisepsykologi und insbesondere in enger Anlehnung an ein Merkblatt des Berufsverbands Österreichischer Psychologinnen und Psychologen mit freundlicher Genehmigung übernommen, bearbeitet und ergänzt. Besonderer Dank gilt auch der Mitarbeit von Tanja Jacobi (HU Berlin) und Rebecca Bondü (PHB).
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